Was ist Slow Food? Ein Interview mit Slow Food Berlin

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Wir von Eat the World sind nun offizieller Förderer von Slow Food. Aber: Was ist Slow Food überhaupt? Da eat-the-world es sich zur Aufgabe gemacht hat, qualitativ hohwertige und lokale Betriebe der Kulinarik und Gastronomie zu unterstützen, hat uns diese Frage schon länger beschäftigt. Uns war klar, dass es bei Slow Food darum geht, einen Gegenpol zum Fast Food zu schaffen und mehr darauf zu achten, was und wie man isst. Aber um die Frage „Was ist Slow Food?“ exakt zu beantworten, haben wir das Gespräch mit einer Expertin gesucht. Uns hat nicht nur interessiert was genau Slow Food ist, sondern auch wie man Mitglied wird, welche Projekte es in Berlin gibt und ob das „Slow Food“ Bewusstsein schon in den Köpfen der Berliner angekommen ist.

Was ist Slow Food? Eine Expertin antwortet!

Bei einem interessanten Gespräch mit Pamela Dorsch von der ehrenamtlichen Leitung des Conviviums Berlin von Slow Food erfuhren wir Erstaunliches und Spannendes zur Frage „Was ist Slow Food?“. Lesen Sie hier das gesamte Interview:
eat-the-world: Was ist Slow Food? Könnten Sie mir das in wenigen Worten beschreiben?
Pamela Dorsch: Die Frage „Was ist Slow Food?“ lässt sich mit den drei Prinzipien von Slow Food beantworten: gut, sauber und fair. Gut heißt, dass Nahrungsmittel qualitativ hochwertig sein und gut schmecken müssen. Sauber bedeutet, dass Essen nachhaltig und umweltschonend produziert werden sollte und fair bezieht sich auf den sozialen Aspekt der Ernährung – also dass Lebensmittel wert geschätzt und faire Preise verlangt werden. Slow Food heißt auch bewusst essen, genauer hinschauen, woher das Essen kommt und wie es zubereitet wird, Essen selbst zubereiten und mit Kochtraditionen bewusst umgehen.
eat-the-world: Wie wird man Mitglied bei Slow Food, wie viel kostet es und was ist der Vorteil einer Slow Food Mitgliedschaft?
Pamela Dorsch: Als Mitglied bezahlt man 75 € im Jahr und für eine Familienmitgliedschaft 95€ im Jahr. Es ist total einfach bei uns Mitglied zu werden – man muss nur den Mitgliedsantrag ausfüllen, welchen man online findet, und schon ist man dabei.
Als Mitglied bei Slow Food erhält man sechs Mal jährlich ein Mitgliedermagazin, welches viele spannende Infos beinhaltet und sich meistens auf ein bestimmtes Thema bezieht. Wir hatten beispielsweise schon die Themen „Wurst“, „Backen“ oder „Lämmer und Schafe“. Außerdem hat man den Vorteil, dass man in Berlin Vorrang bei Veranstaltungen mit Teilnehmerbegrenzung vor Nicht-Mitgliedern hat, zum Beispiel bei Weinverkostungen. Wir versenden an unsere Mitglieder in Berlin auch regelmäßig einen Newsletter. Der größte Vorteil an einer Mitgliedschaft ist aber natürlich immateriell – man unterstützt das Anliegen von Slow Food und setzt sich somit für eine gute Sache ein.
eat-the-world: Was ist Slow Food Berlins Vision für die deutsche Hauptstadt?
Pamela Dorsch: Eines unserer Ziele ist einen Food-Policy-Council für Berlin gemeinsam mit anderen Food-Initiativen auf den Weg zu bringen. Das ist ein Ernährungsrat bestehend aus verschiedenen Food-Aktivisten und –Aktivistinnen, welcher sich dafür einsetzt, dass Ernährungspolitik noch mehr in die städtische Politik eingebunden wird. Dieser Rat soll Strategien zur Ernährungspolitik entwickeln und durch Projekte, Ausstellungen und Veranstaltungen eine hörbare Stimme bekommen. Wir wollen also, dass das Thema „bewusste Ernährung“ stärker politisch vernetzt wird.
Außerdem möchten wir Berlinern unsere Werte praktisch näher bringen und ihnen vermitteln, dass es wichtig für ihre Gesundheit und Umwelt ist, was und wo sie essen und einkaufen. Berliner sollen verstehen, dass Essen nicht nur zum satt werden da ist sondern, dass es auch einen Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit, Lebensmitteln und Gesundheit gibt.
Slow Food arbeitet zum Beispiel an Projekten wie Urban Gardening oder Stadthonig, um das Bewusstsein der Menschen für Slow Food zu schärfen.

eat-the-world: Denken Sie, dass dieses Bewusstsein schon in den Köpfen der Menschen angekommen ist?

Pamela Dorsch: Ja, wir konnten in Berlin einen sehr starken Zuwachs an Slow Food Mitgliedern beobachten. Das liegt vor allem daran, dass Slow Food Berlin öffentlicher geworden ist und viele Projekte mehr nach außen kommuniziert als früher. Auch haben wir in Berlin einen ganz anderen Schlag Menschen als in anderen deutschen Städten. Viele unserer neuen Mitglieder sind relativ jung und leben nach dem Motto „think global, act local“ (global denken, lokal handeln).
Viele junge Berliner haben einfach einen anderen Zugang zum Thema Ernährung, was man auch daran sieht, das Veganismus und Vegetarismus sich immer weiter verbreitet. Auch haben wir in Berlin angefangen, viel mit Partnern und Kooperationen zu arbeiten, um einfach ein größeres Netzwerk zu schaffen. Zum Beispiel organisieren wir regelmäßig kulinarische Veranstaltungen zusammen mit der „Markthalle Neun“ in Kreuzberg. Diese werden immer von 3000 bis 4000 Leuten besucht, welche sich dann auch über Slow Food informieren.
eat-the-world: Slow Food Berlin setzt sich für die Vielfalt der Berliner Esskulturen ein. Wie genau fördern Sie die kulturelle Vielfalt der Hauptstadt und welche Projekte gibt es?

Pamela Dorsch:
Leider haben wir in diesem Bereich noch keine konkreten Projekte am Laufen. Da wir rein ehrenamtlich arbeiten hängt leider auch viel davon ab, ob sich eine Person freiwillig dazu bereit erklärt ein Projekt zu starten oder nicht. Natürlich versuchen wir bei unseren Produzentenbesuchen und Tafelrunden auch die kulinarische Vielfältigkeit zu unterstützen, aber wir haben es bis jetzt zum Beispiel noch nicht geschafft viele türkische oder vietnamesische Gastronomen von unserem Konzept zu begeistern. Momentan überlegen wir eine stärkere Partnerschaft zwischen Slow Food Istanbul und Slow Food Berlin aufzubauen, um der türkischen community hier in Berlin einfach einen besseren Zugang zu diesem Thema zu geben.

eat-the-world: Die Mitglieder von Slow Food engagieren sich in vielen Projekten ehrenamtlich. Zum Beispiel testen sie Restaurants nach Slow Food Kriterien um einen Genussführer zu erstellen. Was ist die Aufgabe eines Slow Food Testessers?

Pamela Dorsch: Das Thema Genussführer ist in Berlin leider auch noch ein eher heikles Thema. Es ist bei Slow Food generell festgelegt, dass Restaurants traditionelle und regionale Küche anbieten sollten, um in den Genussführer aufgenommen zu werden. In Berlin ist es ja aber so, dass wir keine einheitliche, traditionell deutsche Esskultur haben, sondern eine Einwandererstadt sind mit einer multikulturellen Küche. Außerdem gibt es in Berlin eher eine stark polarisierte Gastronomieszene: gute, gehobene, aber eben auch teure Restaurants auf der einen und viel schlechte und billige Gastronomie auf der anderen Seite. Es fehlt immer noch ein breiteres Mittelfeld, welches gute Qualität zu fairen Preisen anbietet. Das sind aber genau die Kriterien auf die Slow Food achtet. Wir sind also gerade dabei die Kriterien des Genussführers so weit anzupassen, dass auch nicht-deutsche Gastronomen mit aufgelistet werden, welche Lebensmittel saisonal und regional einkaufen und verarbeiten und nachhaltig produzieren.

eat-the-world: Jetzt noch zwei persönliche Fragen an Sie. Wie bringen Sie Slow Food in Ihren Alltag?
Pamela Dorsch: Ich mache mir einfach viele Gedanken über die Fragen: Was esse ich? Wo kaufe ich ein? Wie bereite ich mein Essen zu? Ich gebe wahrscheinlich auch mehr Geld für Lebensmittel und Kochbücher aus als andere Leute. Wenn ich einkaufen gehe, dann kaufe ich nur noch Bio Lebensmittel oder Lebensmittel direkt vom Produzenten. Ich versuche immer nah am Produzenten zu bleiben wenn es um Obst, Gemüse, Käse und süße Sachen geht. Ich beschäftige mich viel damit, woher mein Essen kommt und wie es gemacht wird. Bei Fertigprodukten achte ich zum Beispiel auch darauf, dass nicht mehr als fünf Zutaten enthalten sind, möglichst alle Zutaten unverarbeitet sind und nichts drin ist, was meine Oma nicht kennen würde. Mein Tipp an alle: immer auf Wochenmärkten einkaufen, da gibt es meistens frische Produkte. Und wer ein Auto, oder im Sommer auch ein Fahrrad hat, sollte auch ab und an mal aufs Land fahren und auf einem Bauernhof direkt sehen, wie Lebensmittel produziert werden.
eat-the-world: Haben Sie ein Lieblingsgericht?
Pamela Dorsch: Wenn ich mal schlechte Laune habe und etwas brauche, das meine Stimmung aufheitert, liebe ich Grießbrei. Ich habe generell ein Faible für gute, süße Sachen. Deswegen organisiere ich auch so gern den Naschmarkt von Slow Food.
eat-the-world: Danke für den Hinweis und vielen Dank für das Gespräch.